The Bunny Game
Von Alex Klotz // 13. März 2012 // Tagged: Independent, Sexploitation, Skandalfilm // 4 Kommentare
Um ihre Drogensucht zu finanzieren, läßt sich eine namenlose Prostituierte auch mal auf Arschloch-Freier ein, für die Sex mit der gewalttätigen Erniedrigung der Frau einhergeht. Als sie einem Trucker einen Blowjob anbietet, entführt dieser sie jedoch, damit er die Frau mehrere Tage lang foltern und quälen kann…
„Torture Porn“ wie gehabt könnte man meinen, doch diesmal kommt noch hinzu, daß keine Effekte verwendet wurden, sondern die Darstellerin alle Qualen tatsächlich erleiden mußte und auch wollte. Rodleen Getsic möchte man die Aussage, eine so selbst erlebte traumatische Erfahrung durch den Film therapieren zu wollen, gerne glauben, aber man hätte ihr eine formal ansprechendere Umsetzung gewünscht. Die erste halbe Stunde ist noch recht gelungen mit ihren tristen, von harter Gitarrenmusik unterlegten Bildern vom Straßenstrich. Später gelingt hier und da noch eine Collage, aber gerade im letzten Drittel wird es einfach anstrengend, wenn Shakycam und schnelle Schnitte meinen, immer noch einen draufsetzen zu wollen – das gewünschte „in-den-Alptraum-hineinziehen“ will nicht funktionieren, der Zuschauer wird eher herausgetreten.
Stilistisch erinnert der ganze Film an das Cinema of Transgression von Richard Kern, Nick Zedd und Co, was vor 30 Jahren innovativ war, aber auch nicht ganz aus dem Nichts kam – deswegen sei auch an dieser Stelle auf Amos Vogels unverzichtbares Buch „Film als subversive Kunst“ hingewiesen, denn hier finden sich Beispiele von effektiv ungemütlichen Filmen, deren künstlerisches Konzept weitaus durchdachter war als einfach „Wir machen’s in Schwarz-Weiß, laut und schnell und drehen die Schraube einfach immer weiter“.
In England wurde eine Veröffentlichung des Films untersagt, in Schweden ist er hingegen bereits als DVD erschienen, die Firma ILLUSIONS hat für dieses Frühjahr eine Veröffentlichung in Österreich angekündigt, im diesbezüglich rigorosen Deutschland versucht man es vermutlich gar nicht erst. Die von derlei Umständen unweigerlich angefixten Gorehounds werden bei Sichtung des Films wohl heulen und mit den Zähnen knirschen, es fließt im Unterschied zu den letzten u.a. wegen diversen Zensuren und Verboten gebuzzten A Serbian Film und The Human Centipede 2: Full Sequence noch nicht mal Blut.
Wozu das ganze Theater? Das dominante Marketingkonzept von Horrorfilmen war schon seit der Entstehung des Begriffs in den 30er Jahren, die Zuschauer mit schreckenerregenden Dingen zu konfrontieren, die sie so noch nicht gesehen haben. Ein erster „Gipfel der Geschmacklosigkeiten“ schien mit den italienischen Zombie- und Kannibalenfilmen der späten 70er / frühen 80er Jahren erreicht zu sein, in den 90ern sprang Asien mit der Guinea Pig-Reihe und CATIII-Filmen in die Bresche und beginnend mit Saw hat man auch im Hollywood-Mainstream bemerkt, mit grober Ware große Kasse machen zu können – daß die Rechnung immer wieder aufgeht, hat nichts damit zu tun, daß die aktuellen Filme besser oder schlechter wären als ihre Vorgänger, es wächst halt immer ein neues adoleszentes Zielpublikum nach, das mit den Kumpels oder der Freundin die neueste Mutprobe des angeblich schlimmsten/grausamsten Films aller Zeiten bestehen will.
Durch die ebenfalls nicht aussterbenden Moralapostel, die eine solche Art der Unterhaltung oft aus populistisch-politischen Gründen schon immer haben unterbinden wollen, entwickelt sich dann eine Eigendynamik, die den Erfolg dieser Filme erst recht vorantreibt: Es gibt kaum eine bessere Werbung für einen „bösen“ Film, als daß er in einigen Ländern der Welt verboten ist. Im Internet entwickelt diese Dynamik durch die Möglichkeit des „anonymen“ Austauschs noch ihre ganz eigenen Qualitäten – die Filme werden entweder geliebt oder gehasst und Sprüche wie „Ich schaue gerne Filme mit Kopfschüssen und herausquillenden Gedärmen an, aber DAS ist krank und geht zu weit“ sind keine Seltenheit. Wenn es zu Zeiten von Man Eater, Cannibal Holocaust oder Ebola Syndrome schon Internet gegeben hätte, wäre die Terminologie evtl. etwas anders, der Grundtenor meiner Vermutung nach aber ziemlich der Gleiche, ebenso bei Curse of Frankenstein (1957) oder Peeping Tom (1959), die zu ihrer Zeit ähnliche Wellen der Entrüstung ernteten. (Mit M.G. Lewis‘ Roman „The Monk“ (1796) fang ich gar nicht erst an, es geht ja hier um Filme.) Deren Darstellung von Gewalt, die im zeitgenössischen Kontext noch als schockierend wahrgenommen wurde, wird von der breiten Masse mittlerweile als antiquierter Stil belächelt, und bei den aktuell „bösen“ Filmen wird es mit einer gewissen zeitlichen Distanz nicht anders aussehen. Das hat weniger damit zu tun, daß die Spezialeffekte „besser“ oder „realistischer“ werden, sondern mehr damit, daß ein „zeitloser“ Look bei Filmen unmöglich umzusetzen ist. Es mag zwar visionäre Regisseure geben, die ihrer Zeit voraus sind, aber mir ist noch keiner begegnet, der tatsächlich in die Zukunft sehen kann. Mit seiner eher rückgewandten Ästhetik gehört Adam Rehmeier jedenfalls eher nicht dazu.
USA 2010, Regie: Adam Rehmeier
4 Kommentare zu "The Bunny Game"
Wie recht du hast. Trotzdem fehlt in deinem etwas entnervten und nur allzu verständlichen Aufseufzer eine Erwähnung der dritten Zuschauerschicht, die sich nicht moralisch über diese Filme ereifert, sondern lediglich aus cinephiler Sicht über deren außerordentlich ärgerlichen Scheißefaktor.
Das habe ich beim Lesen zumindest für mich persönlich so impliziert, ohne den Film gesehen zu haben. Aber du hast recht, es schadet nicht, das noch mal zu erwähnen. We are „dritte Zuschauerschicht“ :)
Ja, das stimmt wohl. Wobei sich das ja auch nicht a priori festhalten läßt, denn theoretisch besteht ja durchaus die Möglichkeit, daß einer dieser „gebuzzten“ Filme tatsächlich auch was taugt, soll heißen: Die cinephile Sicht grenzt sich hier sowieso von den anderen beiden klar definierten Sichtweisen ab.
Ja. Die “dritte Zuschauerschicht” ist in sich total inkontinent, äh, inkonsistent. Sie besteht aus ungefähr genau so viel Schichten, wie sie Mitglieder hat. Das ist das Gute darin, äh, daran.